Haushaltsrede zum Kreishaushalt 2021 der SPD-Kreistagsfraktion,

Veröffentlicht am 19.11.2020 in Kreistagsfraktion

Vortrag durch Herrn Fraktionsvorsitzenden Klaus Eberhardt

Es gilt das gesprochene Wort!

Sehr geehrte Frau Landrätin,

geschätzte Kolleginnen und Kollegen im Kreisrat,

sehr geehrte Damen und Herren!

In Ihrer Haushaltsrede, sehr geehrte Frau Landrätin, führen Sie bemerkenswerter Weise § 1 Abs. 1 der Landkreisordnung ein:

Der Landkreis fördert das Wohl seiner Einwohner, unterstützt die kreisangehörigen Gemeinden in der Erfüllung ihrer Aufgaben und trägt zu einem gerechten Ausgleich ihrer Lasten bei.“

In Anbetracht der Verwerfungen durch die Corona-Pandemie, lässt sich in diesem völlig atypischen Jahr und im nächsten Jahr in noch größerem Umfange vortrefflich darüber streiten, wie ein gerechter Ausgleich zwischen den Finanzmitteln der einzelnen staatlichen Ebenen erreicht werden kann. Ich beziehe mich heute lediglich auf das Verhältnis zwischen den Kreis- und Gemeindefinanzen. Nach den langwierigen und - aus meiner Sicht - teilweise mühsamen Vorberatungen in der AG Finanzen des Kreishaushaltes lässt sich folgendes Ergebnis festhalten:

Aufgrund der vielen Pflichtaufgaben des Kreises mögen die Vorschläge der Einsparungen für 2021 in Höhe von 3,3 Mio. Euro als Erfolg betrachtet werden. Gleichzeitig gilt es aber auch, die aktuelle schwierige finanzielle Situation der Städte und Gemeinden zu betrachten. Die zu erwartenden Fehlbeträge dürften bei diesen im Gesamtvolumen etwa gut das Zehnfache des Minus des Kreises ausmachen. Den Städten und Gemeinden bleibt gar nichts anderes übrig, als ihre Projekte zu strecken oder zu streichen. Selbst bei den Pflichtaufgaben werden auf die Kommunen enorme finanzielle Herausforderungen warten. Mit Hinweis auf die bereits zitierte Landkreisordnung darf es nicht zu einer Asymmetrie zwischen der Leistungsfähigkeit von Städten und Gemeinden einerseits und dem Kreis auf der anderen Seite kommen. Die Liquiditätssicherung und Umlagefinanzierung des Kreises können nicht das Ziel sein, dass Städte und Gemeinden in ihren künftigen Aufgabenwahrnehmungen unverhältnismäßig hoch beeinträchtigt werden. Dies wäre alles andere als nachhaltig. 

 

Des Weiteren warten auf unseren Landkreis neue Themen und gewichtige Schwerpunktverlagerungen. Ich spreche hierbei die Herausforderung des Klimawandels, die Weiterentwicklung der Schullandschaft, die Chancengerechtigkeit in der Gesellschaft in den unterschiedlichen Teilräumen und die Digitalisierung an. Trotz bemerkenswerter Ansätze werden wir zusätzliche Finanzressourcen in den einzelnen Themenfeldern benötigen. Um dem Kreistag als Entscheidungsgremium in diesen Themen überhaupt Spielräume zu ermöglichen, halten wir es für unverzichtbar, stärker als bisher in die Strukturdiskussion der Aufgabenwahrnehmung des Landkreises einzutreten. Für die Folgejahre erwarten wir eine stärkere Aufgabenkritik und nicht die Aufblähung eines Verwaltungsapparates. Nur wenn wir die Ressourcen für die geänderten Aufgabenprioritäten bereitstellen können, werden wir im Sinne der Strategie nachhaltig wirken und die Öffentlichkeit überzeugen können. 

Lassen Sie mich nun auf einzelne Themenbereiche eingehen. 

Beginnen möchte ich mit Mobilität, Umwelt und Strukturpolitik.

Aus Sicht der SPD dürfen künftige investive Maßnahmen im Sektor „Mobilität“ die gesetzten Klimaziele nicht gefährden. Infolgedessen bleiben aus unserer Sicht die ÖV-Maßnahmen im Wiesental wie auch am Hochrhein und die Förderung des Radfahrverkehrs. Bei der Fortführung der Kandertalbahn-Strategie wünschen wir uns ein noch stärkeres Engagement der Gemeinden. In Anbetracht der besonderen Situation halten wir die Kürzung des Straßenunterhaltes 2021 auf einen Betrag von 530.000 Euro für vertretbar. 

Bei den Investitionen bleibt der Verbleib der Ortsumfahrung Rümmingen für uns als SPD ein Rätsel. Wir haben weitere Planungskosten mehrheitlich im Kreistag beschlossen, obwohl jeder um die Auswirkungen der Haushaltslage wusste. Dieses Projekt ist aus unserer Sicht nicht vertretbar. Die SPD hat einen Antrag eingereicht, Veränderungen bei der Innerortsstrecke der Kreisstraße zu ergreifen und auch den Radwegeausbau von der Lucke nach Rümmingen zu forcieren. Dies sind denkbare Alternativen. Nach außen hin ist es nicht zu vermitteln, dass wir Investitionsprojekte, wie die Sprachheilschule, verschieben, aber eine Mehrheit im Kreistag Rümmingen beibehalten will. Da stimmt das Kosten-Nutzen-Verhältnis nicht. 

Im Umweltbereich sind die grundlegenden Strukturen aufgesetzt worden. Das integrierte Energie- und Klimaschutzkonzept, der eea-Prozess und die durchaus ersten Erfolge beim „365-Dächer-Programm“ lassen sich positiv in der Bilanz festhalten. 

In der Frage der Wechselwirkung von Klimaschutz und Mobilität sehen wir aber weiteren Handlungsbedarf: Der Ausbau der E-Mobilität, eine Förderung von Carsharing-Projekten, insbesondere zur Gestaltung der Haltepunkte an den S-Bahnen als intelligente Verkehrsdrehscheiben und die Einführung eines Klimatickets zur Förderung von Kurzstreckenangeboten. 

Bei der Anpassung der Projektziele liegt mir jedoch eine Bemerkung quasi auf der Zunge: „Bitte nicht schon wieder mit geänderten Zielsetzungen neue Stellen begründen.“

Soziales

Kein anderer Bereich weist eine derart ausgeklügelte und differenzierte Struktur auf, wie der Sozialbereich. Die Angebote sind auf vielen Schultern verteilt. Kooperationen mit den caritativen Institutionen bilden eine Stärke der Sozialkompetenz in unserem Landkreis. 

Wir danken allen, die in einem intensiven Austausch mit Frau Dezernentin Zimmermann-Fiscella und ihrem Team mitgewirkt und dazu beigetragen haben, dass im Sozial- und Jugendhilfeausschuss die Kosten reduziert werden können. 

Die wichtigen Strukturen der Beratung, Begleitung und Unterstützung durch konkrete Hilfen, die für Menschen mit Teilhabeeinschränkungen und Hilfebedarf notwendig sind, konnten erhalten werden. Wir müssen allerdings in diesem Sektor die Entwicklung mit der Botschaft weiter beachten, in dieser außergewöhnlichen Zeit keine neuen Leistungsgesetze vonseiten Land und Bund zu beschließen. 

Unser besonderer Dank gilt allen Trägern als Kooperationspartner, die durch die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf Kinder, Jugendliche und Familien sehr gefordert sind und diese Situation hervorragend leisten und meistern.

In der Schulsozialarbeit sehen wir die Gemeinden als Schulträger und den Landkreis in der gemeinsamen Verantwortung, die soziale Arbeit an den Schulen zu stärken und bedarfsgerecht umzusetzen. Wir stehen dazu, dass der Landkreis hier seinen Anteil nicht kürzt, weil das in der Konsequenz durch die Schulträgergemeinden aufgefangen werden müsste. Einmal mehr stellen wir jedoch fest, dass das Land seiner Verantwortung nicht nachkommt, diesen wichtigen Baustein gelingender schulischer Bildung mit der zunächst zugesagten Drittelfinanzierung angemessen zu bezuschussen. 

Sorge bereiten die massiv steigenden Kosten für gesetzliche Aufgaben in der Eingliederungshilfe, der Hilfe zur Pflege und in der Jugendhilfe. Steigende Fallzahlen und gestiegene Kosten je Fall, vor allem im stationären Bereich, sind hierfür ursächlich. Es geht um Menschen mit Hilfebedarf. Wir als SPD halten auch in diesem wichtigen Themenfeld an unserer Sozialstrategie fest und wollen alle Chancen nutzen, durch primäre Prävention, frühzeitige Intervention, ambulante Versorgungsstrukturen und passende Hilfsangebote für die betroffenen Menschen aller Altersgruppen zu stützen, so dass Heimaufnahmen soweit wie möglich verhindert werden. 

Bezüglich der Zahl der Bedarfsgemeinschaften dürfen wir unserer Hoffnung Ausdruck verleihen, dass insbesondere das Instrument der Kurzarbeit den Betrieben und Beschäftigten durch die Corona-Krise hilft. Allerdings beobachten wir in den Kommunen stark ansteigende Zahlen bei Wohngeldanträgen. Dies könnte ein erstes Indiz für die ausstehenden negativen wirtschaftlichen Folgen von Corona sein. 

In der Flüchtlingsunterbringung halten wir in Kenntnis des Zustandes eine dauerhafte bauliche Lösung bei der Gemeinschaftsunterkunft in der Schildgasse für richtig. Container oder Baracken können nicht die Lösung sein. Sie widersprechen einer menschenwürdigen Unterbringung der bei uns gestrandeten Flüchtlinge. 

Beim Thema „Bildung“ ist die Schulentwicklung der Gewerbeschulen eine Erfolgsgeschichte. Die Umsetzung erfolgt aus unserer Sicht konsequent und planmäßig. Hier gilt ein Dankeschön Frau Bleile für ihre unaufgeregte Weiterentwicklung des vom Kreistag beschlossenen Konzeptes. Allen Schulen und Schulleitungen danken wir für die Bereitschaft auf Budgetverzicht. 

Zum Teilhaushalt 1 lässt sich insgesamt ein gutes Kostenmanagement der Verwaltung feststellen. Wir fühlten uns im Verlaufe der enger werdenden Finanzsituation gut informiert und konnten insgesamt eine umsichtige Planung ausmachen. Dies ist keineswegs selbstverständlich, da wir in den letzten Jahren unter den schwierigen Voraussetzungen aufgrund der Flüchtlinge und der Corona-Pandemie durchaus unerwartete Einflussfaktoren verzeichnen mussten. 

Indes erscheinen uns manche Personalmehrungen in den letzten Jahren üppig. Einzelne Organisationsuntersuchungen nahmen von außen betrachtet den Charakter eines Stuhlkreises an, in dem jeder die gleiche Idee hatte, die Arbeit zu optimieren. Das Ergebnis hieß: Stellenmehrungen. Wir bezweifeln, ob wir in Zukunft uns diese Betrachtungsweise noch leisten können. 

Im Zuge von Stellenveränderungen ist auch zu prüfen, ob nicht bestimmte Aufgabenbereiche durch externe Vergaben wirtschaftlich günstiger und schlüssiger abgewickelt werden können. Ein Landratsamt muss nicht in allen Bereichen höchste Kompetenz aufweisen, sondern wissen, wie es zur Kompetenz gelangen kann. 

Gleiches gilt auch in Bezug auf die viel gegründeten Arbeitskreise und eine Flut von vorberatenden Gremien. Das Ergebnis sind sechs Arbeitskreise zur Kommunalen Gesundheitskonferenz sowie weitere 21 Arbeitskreise und Foren in der Verwaltung. Dies stellt zuweilen auch eine zeitliche Überforderung der Kreisräte dar und sollte in der Zukunft überdacht werden. 

Bescheiden ist aus unserer Sicht die Bilanz beim Management des Verwaltungsneubaus. Ohne persönlich adressierte Schuldzuweisung darf man getrost feststellen, dass man sich bei diesem Projekt - im Gegensatz beispielsweise zu den Schulbauten - verhoben hat. Ein besseres Management ist bei Bauprojekten dieses Investitionsvolumens künftig mehr als notwendig. Begonnen haben wir bei dem Verwaltungsneubau neben dem Telekom-Gebäude mit ca. 14 Mio. Euro Kostenvolumen. Enden werden wir mit Sicherheit bei einem Betrag von 35 Mio. Euro. Ernüchternd ist an dieser Stelle die Tatsache, dass zwar eine begleitende Arbeitsgruppe gebildet wurde, aber Vorschläge zur verbesserten Abwicklung in den Wind geschrieben wurden. Auf Beispiele verzichte ich. 

Bei der Digitalisierung stellen wir fest, dass die aktive Umsetzung gut aufgesetzt wurde. Wir vermissen allerdings für die weitere Arbeit eine Übersicht der verschiedensten Plattformen und eine entsprechende Strategie für die Weiterentwicklung der einzelnen Projekte. Bei der Bekämpfung der Covid-19-Fälle würden wir uns sehr schnell eine verbesserte digitale Struktur wünschen. 

Die IT-Situation in Schulen ist ähnlich wie in der Verwaltung: Vieles muss schnell nachgeholt werden. Es fehlen Geräte, Plattformen, Standards und Fortbildungsstrategien für Lehrer, damit die Chancen des digitalen Lernens für die Kinder in Lernerfolge umgesetzt werden können. 

Bezüglich des Themas „Wirtschaftsförderung“ halten wir an der Struktur zur Förderung von Projekten im ländlichen Raum fest. Zukünftig sollte der Nachhaltigkeitsgedanke vorrangig ein Prüfkriterium sein. Bei der WSW bitten wir die Geschäftsführung, die Folgen der Corona-Pandemie bei Betrieben, beim Tourismus und beim kleineren Mittelstand stärker in den Fokus zu nehmen. 

Positiv bewerten wir insgesamt, wie in den Vorjahren auch, die Arbeit des Zweckverbandes zur Breitbandversorgung des Landkreises. Bei den großen Herausforderungen der Flächenerschließung ist es außergewöhnlich, im nächsten Jahr wieder hunderte Unternehmen und wahrscheinlich tausende von Haushalten mit einem schnellen Glasfaseranschluss auszustatten. 

Positiv bewertet werden von unserer Seite aus die zahlreichen Aktivitäten der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit. Dies bedeutet die fortwährende fachliche Abstimmung, die Mitarbeit in diversen Gremien und die Pflege der persönlichen Beziehungen zu den Akteuren auf den verschiedenen Ebenen. Dies erfordert auch zukünftig Ressourcen und eine Fortschreibung gemeinsamer Themenstellungen. Auch hier lässt Corona grüßen. Künftig sehen wir bei der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit auch die Notwendigkeit, sich auf einzelne Themen zu fokussieren. Der Trinationale Eurodistrict Basel mit Vorstand und Distriktrat, haben die Aufgabe, gemeinsame Strategien für die Megathemen unseres Raumes zu entwickeln. Die Umsetzungsebene ist indes teilweise in anderen Gremien zu verlagern. Die SPD sieht hierbei insbesondere die Mobilitätsthemen im Agglomerationsprogramm gut aufgehoben. In diesem Zusammenhang ist es für uns notwendig, im Jahr 2021 den Regiobus zum EuroAirport auf Kurs zu bringen. Er ist mehr als ein Flughafenzubringer, sondern dient auch der grenzüberschreitenden Mobilität von Arbeitnehmern sowie der Verbindung der Menschen beim Besuch von Kultureinrichtungen, der Freizeit oder den Dienstleistungsangeboten. 

Bei den Heimen wird die Dezentralisierungsstrategie Zug um Zug umgesetzt. Die zeitweiligen Aufgeregtheiten haben sich gelegt. 

Bei den Kliniken ist eine sehr erfreuliche Entwicklung im Hinblick auf die Umsetzung der großen Meilensteine für das Projekt „Zentralklinikum“ zu verzeichnen. Die von uns beantragte Kostenkontrolle funktioniert. Die Kliniken betreiben einen transparenten und umsichtigen Planungsprozess. 

Bei der Abfallwirtschaft ist eine Erhöhung der Abfallgebühren um rund 10 % nach vielen Jahren der Preisstabilität nicht mehr zu vermeiden. Die jetzt vorgeschlagene Lösung mit einer Zusicherung der Stabilität, auch für 2022, tragen wir mit. Erhöhte Sammelkosten und weitreichende Verbesserungen im Bereich der Recyclinghöfe führen auch zukünftig zu einem höheren Defizit. Die Abfallwirtschaft ist nach Meinung der SPD in Zukunft angehalten, mit verstärkten digitalen Organisationsformen Abläufe mit möglichst geringen Personalkostenerhöhungen zu verwirklichen. Begrüßen können wir auch die Option auf eine regionale Bioverwertungsanlage zusammen mit dem Landkreis Waldshut, der hierzu einen positiven Beschluss gefasst hat. Aus unserer Sicht scheint der Standort „Lachengraben“ für beide Landkreise verkehrsgünstig zu liegen. Somit wären die langen Transportwege nach Freiburg oder Singen Vergangenheit. 

Die Haushaltsberatungen zum Haushalt 2021 gestalteten sich aufgrund der geschilderten Sachzwänge aus unserer Sicht schwierig und zäh. Die nicht von uns verschuldeten Randbedingungen zwingen uns zu einem neuen und kritischen Blick auf die Finanzplanung. Für uns als SPD steht fest: Zukunftsprojekte, wie das Zentralklinikum, der Ausbau von Bus und Bahn, das nachhaltige Wirtschaften und eine solidarische Sozialpolitik, die niemanden zurücklässt, bleiben für uns prioritär. Wir befürworten den Umbau der Landkreisverwaltung zu mehr kundenfreundlichen digitalen Angeboten. 

Wir bedanken uns bei allen Stellen im Landratsamt für die einmal mehr sehr gute Vorbereitung der Haushaltsplanberatungen und stimmen der Kreisumlage in Höhe von 32,1 Punkten zu. 

Vielen Dank für das Zuhören!

Klaus Eberhardt

 

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